Kapitel 3 - Tempus conticescere

Kapitel 3 – Tempus conticescere – Teil 1

An einem der heißesten Sommertage im Jahr waren Sœlve und Lilly gemeinsam unterwegs gewesen. Um irgendwie mit der Hitze klarzukommen, fuhren sie mit ihren Rädern zu einem nahe gelegenen Baggersee. Dadurch, dass kaum Wind wehte und die Sonne direkt auf sie herunter knallte, war die Fahrt anstrengender, als sie es erwartet hatten. Auf der Strecke sahen sie immer wieder liegen gebliebene Fahrzeuge.

Schon einige Kilometer vor dem See standen die Autos am Straßenrand und die Menschen gingen die Strecke zu Fuß. Das war, wenn man nicht einigermaßen gut vorbereitet war, ein viel zu anstrengender Weg und die beiden Freundinnen waren sehr froh über ihre Drahtesel. Die letzten Meter in Richtung des Sees ging es ziemlich steil hinauf, so dass Sœlve sogar Probleme hatte überhaupt die Steigung zu schaffen. Kurz bevor sie aufgeben und schon absteigen wollte, schlängelte sich die Straße ein letztes Mal. In der Ferne war eine kleine Schranke zu erkennen, an der zwei Männer saßen und Schlangen von Menschen durchließen, nachdem sie Eintritt gezahlt hatten.

Die Preise waren unverschämt hoch, aber sie wollten einfach nur noch ans oder besser gesagt ins erfrischende Wasser. Doch zu ihrem Leidwesen brauchten sie auch nach dieser Schranke noch mehrere Minuten mit den Rädern, bis sie diese endlich anschließen konnten.

Der Strand um den Baggersee herum war mit hohen Zäunen umringt, so dass sie erst zu einem der Eingänge gehen mussten. Als sie die Kontrolle passiert hatten stellten sie fest, dass schon überall Decken ausgebreitet waren und Menschen darauf in der prallen Sonne lagen. Nicht gerade wenige hatten schon die ersten ernsteren Anzeichen für einen Sonnenbrand. Da sie keine Lust auf einen Sonnenbrand hatten, suchten sie sich ein schattiges Plätzchen am Waldrand. Zwar war ihnen klar, dass im Laufe der Zeit auch dort die Sonne scheinen würde, aber dann konnten sie immer noch ein Stückchen umziehen. Ohne viel Zeit zu verlieren streiften sie die Klamotten über ihren Bikinis ab und liefen zum Wasser, das erfrischend kalt war. Für Sœlves Geschmack war es fast noch zu kalt, aber nachdem sie das erste Mal vollkommen untergetaucht war, fühlte selbst sie sich sehr wohl. Irgendwann setzte sie sich nahe des Ufers so hin, dass nur noch ihr Kopf aus dem Wasser hervorschaute während Lilly wie ein Fisch durchs Wasser schwamm. Die Zeit verging während die Sonne immer weiter von oben auf sie hinab strahlte. Auf einmal tauchte Lilly neben ihr aus dem Wasser aus und jagte ihr einen kleinen Schrecken ein woraufhin beide anfingen zu Lachen. Während Lilly noch ein wenig weiter schwimmen wollte, verließ Sœlve das Wasser und legte sich auf ihr Badetuch. Sie fühlte sich wohl und schloss ihre Augen um sich ein wenig auszuruhen.

Sœlve war schon eingedöst, als sie eine gewisse Unruhe um sie entstand. Träge drehte sie den Kopf in die Richtung aus der auf einmal viel Getuschel zu hören war. Eine Gruppe von Neuankömmlingen erregte mit ihrem Auftreten nicht gerade wenig Aufsehen. Im Grunde taten sie nichts Wildes, aber sie hatten alle etwas eigentümliches an sich. Die Männer und Frauen bewegten sich sehr linkisch und steif, während sie nach einem freien Plätzchen suchten. Von dem, was man sah, hätte man glauben können, dass sie alle erst das Gehen gelernt hatten, so unbeholfen bewegten sie sich. Im sicheren Abstand schlichen ihnen einige Kinder hinterher, die sich einen großen Spaß daraus machten, die roboterhaften Bewegungen nachzumachen. Eine der Frauen bemerkte irgendwann jedoch die Kinder hinter sich, schnellte gar nicht mehr so unbeholfen herum und fauchte die kleinen Quälgeister gereizt an, die erschrocken auseinander liefen und schnell das Weite suchten. Die Frau war nicht die Einzige aus der Gruppe, die sich nun geschmeidiger bewegte und es schien so, als ob mittlerweile alle die anfängliche Steifheit abgeschüttelt hätten. Es änderte aber nichts daran, dass sie stark auffielen, weil ihre Haare in den verschiedensten Grüntönen gefärbt waren. Das Farbspektrum reichte von lindgrün bis zu einem satten nachtgrün. Sœlve störte sich nicht wirklich an den Haarfarben, aber die umliegenden Badegäste wohl umso mehr, wenn man nach der Unverforenheit ging mit der gegafft wurde. Nicht zum ersten Mal wunderte sich Sœlve Augen rollend darüber, warum sich die Menschen dermaßen an Äußerlichkeiten aufhingen. Die grünhaarige Truppe schien dafür von dem Ganzen nicht viel mitzubekommen: Geschäftig breiteten sie sich auf dem Gras aus und noch ehe sie sich richtig niedergelassen hatten, fingen die Ersten an Himbeeren auszupacken, die kunstvoll in Ahornblätter eingeschlagen waren, und prompt zu Essen. Während der Maschinengewehrartigen Nahrungsaufnahme ließen sie ihre Blicke verstohlen immer wieder um sich kreisen, beinahe so, als ob sie etwas suchen würden.

Sœlves Beobachtungen wurden jäh unterbrochen als sich zwei Arme von hinten um ihre Taille schlangen und sich ein bekanntes Gesicht neben ihres drückte.

„Schicke Haarfarben!“, stellte Lilly verschmitzt fest. „Komm, lass uns zum Felsen da drüben schwimmen, da hängen Schildkröten in der Sonne ab. Eine davon hat mich total an dich erinnert, weil sie die anderen ärgert, indem sie sie in das Wasser schubst…“

Lachend wich Lilly Sœlve aus, die gespielt entrüstet nach ihr schlug und gemeinsam schwammen sie zum Felsen, um diese freche Schildkröte anzusehen.

Irgendwann hatten sie genug von den Schildkröten und verließen wieder das Wasser um sich auf ihre Badetücher zu legen. Während die beiden rumalberten wanderte die Sonne über sie hinweg. Mehrfach mussten sie ihre Tücher umlegen um nicht direkt in der Sonne zu liegen. Als es immer wärmer wurde kam ein Eisverkäufer vorbei. Sofort sprangen die beiden auf und stürmten zum Verkäufer. Leider waren andere auch auf die Idee gekommen und der Mann ignorierte Sœlve und Lilly. Die Auswahl an Eis, war zu ihrem Bedauern recht klein, so dass sie sich für ein Wassereis entschieden und zu ihren Decken zurück schlenderten. Es war wohl die beste Entscheidung gewesen ein Eis zu kaufen, da es ihnen einfach nur gut tat. Doch es war so heiß, dass das Eis schneller schmolz, als sie es aufessen konnten. Ihre Hände waren von dem herunterfließenden Wassereis ganz klebrig geworden. Was für eine ideale Voraussetzung noch einmal ins Wasser springen zu müssen. So rannten sie gleichzeitig los, über das Beachvolleyballfeld, auf dem gerade gespielt wurde und alle einfach nur verwirrt von den beiden durchsausenden Mädels waren, und hüpften schließlich lachend ins Wasser. Sie verbrachten noch einige Zeit im Wasser und beschlossen dann, nachdem sie sich gegenseitig mit Sonnencreme eingecremt hatten, wieder zu Lillys Wohnung zu fahren.

Unermüdlich brannte die Sonne auf die beiden Fahrradfahrerinnen herunter, so dass die Rückfahrt noch anstrengender wurde als die Hinfahrt und sie waren froh genügend zu trinken dabei zu haben und morgens an Cappies gedacht zu haben.

Wann auch immer sich ein Schatten auf der sonst freien Strecke bot, machten sie eine kleine Pause um zu Trinken oder einfach nur ein wenig zu verschnaufen. Schließlich kamen sie dann aber doch noch an Lillys Wohnung an. Vollkommen erschöpft von der Fahrt ließen sie sich gemeinsam auf die große Couch im Wohnzimmer fallen, auf der sie beinahe sofort einschliefen. Lilly wachte nach einiger Zeit auf und schlich ins Badezimmer um sich zu duschen, wovon Sœlve aber nichts mitbekam. Diese befand sich noch in einem aufregenden Traum aus dem sie mit Hilfe des kalten Inhaltes eines großen Wassereimers geweckt wurde. Schreiend wachte sie auf und sah das ernste Gesicht ihrer Freundin nur wenige Zentimeter vor sich.

„Sooo! Jetzt hast du auch geduscht!“, rief sie und konnte dann das Lachen nicht mehr verkneifen.

„Ich hab dich ja auch lieb…“, grummelte sie, drückte sanft ihren freundlichen violetten Weckerersatz von sich herunter und schlich ins Badezimmer. Mit jedem Schritt hinterließ sie kleine Pfützen auf dem Boden über die sich Lilly köstlich zu amüsieren schien. Nachdem sie sich noch einmal mit etwas wärmeren Wasser abgeduscht hatte, war ihre Laune auch nicht mehr so schlecht. Vor der Badezimmertür wartete Lilly bereits grinsend auf sie.

„Hast du Hunger?“

„Nee… eigentlich nicht wirklich“

„Ich hab eine Idee… wir machen uns jetzt eine Kleinigkeit, gehen in unseren Lieblingspark und machen dort ein kleines Picknick.“

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